Seit über 20 Jahren reparieren die Freiwilligen der Mobilen Werkstatt im Münchner Norden für Menschen, die sich professionelle Handwerker nicht leisten können. Und sie hören zu. Denn bei vielen ist die kaputte Waschmaschine das kleinste Problem.
Die neue Arbeitsplatte für die Küche lagert auf zwei Kisten, die Tauchsäge liegt griffbereit. Doch Ekke zögert. „Da stimmt was nicht“, murmelt er, springt auf und misst noch einmal, wo die vier Herdplatten und das metallene Spülbecken eingelassen werden müssen. Er justiert die Bleistiftmarkierungen auf der Platte. Dann startet Dr. Ekkehard Dembek sein Höllengerät.
Als der 78-Jährige noch als Urologe tagein, tagaus im OP stand, ging es nicht selten um Millimeter. Bis er nicht mehr konnte. „Burnout“, wie er lakonisch sagt. Als er diesen hinter sich gebracht hatte, wollte er wieder was Sinnvolles machen. „Vor ungefähr zwanzig Jahren schob mir meine Frau einen Artikel über die Mobile Werkstatt über den Tisch“, sagt er.
Seitdem ist er dabei. Als einer von aktuell elf Ehrenamtlichen, die jeden Dienstag Menschen in Not aufsuchen. Sie setzen sich für Bürger:innen wie Zarmina Rahimi die Küche instand oder reparieren für Ina Ebru die Waschmaschine.
Bevor sie ausrücken, sitzen sie mit Katrin Dyballa vom Freiwilligen-Zentrum Nord um einen großen Tisch. Es gibt Kaffee, Brezeln und einen Stapel von Anfragen. Die Caritas-Mitarbeiterin liest vor: In einer Küche tropft der Wasserhahn, in einer Toilette läuft die Spülung und eine Waschmaschine ruiniert die Wäsche. „Welche Straße?“, fragt der 79-jährige Peter Pagnin bei der letzten Anfrage. Die Straße von Ina Ebru liegt auf der Tour. Peter Pagnin und Elmar Sirch sagen zu.
Ina Ebru wohnt mit ihrer dreijährigen Tochter im siebten Stock. „Bei mir sieht es schrecklich aus“, begrüßt sie die Handwerker. Dabei liegen nur ein paar Spielsachen im Weg. So saubere Wohnungen betreten sie nicht immer. „Manchmal kommen wir in Messie-Wohnungen, in denen wir am liebsten Handschuhe anziehen würden“, sagt Elmar Sirch, während Peter Pagnin die Trommel abfühlt. Die ist okay. Dafür knarzt das Lager. Und produziert messerscharfe Späne. „Dafür müssen wir die Maschine mitnehmen“, sagt Pagnin. Weil er selbst viele Jahre als Elektriker gearbeitet hat, darf er Elektrogeräte reparieren. Ina Ebru nickt und ist froh, dass die Männer sich kümmern. Sie werden am Nachmittag mit einem Hänger wiederkommen.
Weiter geht es zu der tropfenden Wasserspülung, vorbei an drei- bis achtstöckigen Häusern, Grünanlagen, Geschäften, Schulen und Cafés. Aus dem Auto heraus bestätigt Hasenbergl mitnichten seinen schlechten Ruf als „sozialer Brennpunkt“. Klar, hip wie in der Innenstadt sieht es hier nicht aus. Viele leben trotzdem gern im Viertel. Für sie sind bezahlbare Mieten, günstige Lebensmittel und Geschäfte das Hip des Münchner Nordens.
Die Not und das Elend warten auf die Handwerker jedoch häufig hinter der Tür. „Viele Menschen hier sind schon brutal einsam. Das hat mich sehr überrascht“, sagt Peter Pagnin. Dann sind sie nicht nur Handwerker, sondern hören vor allem zu. Im Zweierteam können sie beides.
Anfordern können die Mobile Werkstatt Menschen in Not. Katrin Dyballa vom Freiwilligen-Zentrum Nord der Caritas koordiniert im Wechsel mit ihrer Kollegin Christine Kalke und Michaela Obergrußberger von der sozialen Beratung die Einsätze. „Wer den Handwerker-Service nutzen will, muss seine Bedürftigkeit nachweisen“, sagt sie. Viele erfahren davon über die Gemeindesozialarbeit und die Schuldnerberatung im Haus. Entstehende Materialkosten müssen, sofern sie es können, die Nutznießer der Mobilen Werkstatt bezahlen. „Aber wir haben auch einen Spendentopf, auf den wir in Härtefällen zurückgreifen können“, erklärt Katrin Dyballa. Auf rund 350 Einsätze pro Jahr kommen die ehrenamtlichen Handwerker. Und das seit 2002. Ihr Gründer, der 2023 verstorbene Jürgen Nestel, hatte für sein Engagement 2012 das Bundesverdienstkreuz erhalten.
Zur Mittagszeit trifft die Caritas-Mitarbeiterin ihre Handwerker erneut. Gemeinsam essen sie im Stadtteilcafé Hasenbergl. Die Männer erzählen von ihren Erfahrungen am Morgen, sie frotzeln und lachen. Fast jeder hat hier schon mit jedem gearbeitet. „Arbeiten zu dürfen ist auch eine Gnade, weil wir Menschen das als soziale Wesen brauchen“, sagt der ehemalige Unternehmer Peter Pagnin.
Die Mittagspause ist vorbei. Ekkehard Dembek und Walter Puchner ziehen ab. Am Morgen haben sie Schrankteile und die Küchenplatte in die Wohnung von Zarmina Rahimi getragen. Die 47-Jährige lebt mit ihren sechs Töchtern in vier Zimmern. „Die Wohnbaugesellschaft hat nie etwas repariert, egal ob eine Steckdose gefährlich aus der Wand hing oder sich Schimmel gebildet hatte“, sagt sie. Für sie ist die Mobile Werkstatt deshalb ein Segen. „Ich weiß nicht, was ich ohne die Hilfe von Ekke und Walter getan hätte.“
Die beiden sind regelmäßig hier. „Wir kennen hier jeden Nagel“, sagt Ekkehard Dembek. Türen, Schränke, Klodeckel, Fußbodenleisten – alles haben Ekke und Walter repariert oder ersetzt. Seit sechs Jahren arbeiten sie zusammen. Wenn Ekke den Hammer braucht, reicht Walter ihn bereits an. Der Ton changiert von herzlich bis kernig.
Walter Puchner zählt 70 Lenze und ist als Bauwerker und Installateur auf zu vielen Baustellen herumgeturnt. In seinem Körper hält Metall einige Knochen zusammen. Als es ihm als Rentner schlecht ging, hat ihm die Caritas geholfen. „Jetzt will ich was zurückgeben“, sagt er. Und gibt sich auch selbst ganz viel zurück. „Mich erfüllt diese Arbeit sehr“, sagt Ekke.
Inzwischen sind die Aussparungen ausgesägt. Vorsichtig wuchten sie die Platte in die enge Küchenzeile. Sie passt. Beide schauen sich zufrieden an. Und als Zarmina Rahimi in die Küche kommt und übers ganze Gesicht strahlt, brauchen die beiden kein Geld der Welt.
Leider muss Ekke wenig später aber feststellen, dass das neue Abspülbecken anders geschnitten und der alte Abwasseranschluss nun zu kurz ist. Die passenden Rohre aber fehlen. Mist. Großer Mist. Eigentlich sind beide auf eine Feier der Mobilen Werkstatt eingeladen. Doch die Familie braucht das Spülbecken. „So können wir das nicht lassen“, sagt Ekke. Walter Puchner nickt. Also werden sie erst einmal zum Baumarkt fahren und das Spülbecken anschließen. Sie werden dann später zur Feier dazustoßen – und sehr zufrieden sein.